ChEfKoCh hat geschrieben:
Die Welle
Schwacher Film, habe wirklich mehr erwartet. Das Thema hätte durchaus mehr zugelassen. Aber der Film besteht eigentlich nur aus einer Reihung verschiedener Klischees und einem blutigen Finale.
Hmm da sind wir wohl komplett anderer Meinung!
Vielleicht kann ich ja noch rausfinden, woran das genau liegt. Ich will nur schon zu Beginn sagen, dass ich nicht verstehe, dass man einen Film so schlecht bewerten kann, der mit der IMHO realistischen Darstellung unser aktuellen Gesellschaft faschistische Entstehungsmechanismen aufdeckt und vor allem Jugendliche zum Nachdenken anregen dürfte. Vor allem in der Zeit des aktuellen Personenkultes, der z.B. Politiker zu reinen Populisten macht und die wirklichen politischen Ziele bald hinter dem Schein der Person nicht mehr erkennen lässt.
ChEfKoCh hat geschrieben:
Der in der Platte aufgewachsene Schüler hat keine Familie, ist aber durchaus in der Lage Zusammenhänge zu erkennen. Aufgrund seiner sozialen Herkunft ist er aber anfällig Mitläufer zu werden, trotz seiner überdurchschnittlichen Intelligenz.
Der streng erzogene Bengel ist natürlich der Loser schlechthin... Er wird mit lächerlichen Mopedhelm dargestellt und erfüllt auch sonst alle Kriterien. Er lebt mit seinen seinen vorgestrigen Eltern in einem Einfamilienhaus, welches im Stil des Gelesenkirchner Barock eingerichtet ist. Natürlich ist auf Grund seines Loserdaseins und seiner strengen Erziehung sehr anfällig für "starke" und autoritäre Gemeinschaften.
Ich denke zuerst einmal nicht, dass dieser Junge eine strenge Erziehung erlebt hat, denn er selbst ist ja vollkommen handlungsunfähig, was sich ja radikal ändert, als jemand anderes Interesse an seinen Fähigkeiten zeigt und er eine neue Bezugsgruppe in der Organisation der Welle findet. Seine Erziehung war meiner Meinung nach hauptsächlich durch Desinteresse seitens der Eltern gekennzeichnet, die ihm wahrscheinlich klare Grenzen gesetzt haben, aber ansonsten ihn sich selbst haben entwickeln lassen. Da es allerdings nur eine kleine Szene im Film gibt, in der auch die Eltern vorkommen, kann man aber zu einem gewissen Teil nur interpretieren. Klischeehaftige Züge kann ich jedoch bei dieser Filmfigur nicht erkennen.
ChEfKoCh hat geschrieben:
Caro, die Plage welche eine antiautoritäre Erziehung geniest und vom Ausland träumt – wie alle Medchen im dem Alter – durchblick natürlich alles von Anfang an...
Genauso wie die mit Rastas und Palituch ausgerüstete Nachwuchsanarchisten.
Soweit ich mich erinnern kann, hatte das besagte Mädchen anfangs ein schlechtes Gefühl, da sie erstens von zu Hause durch die wahrscheinlich antiautoritäre Erziehung (wie schon erwähnt) einen größeren Wert auf Individualität legt und sich nicht gerne unterordnet. Außerdem verändert sich ihr Filmfreund auf Grund der "Welle" so stark, dass er ihr gegenüber gewalttätig wird. Ich sehe in ihrem Verhalten also keine klischeehaften oder unbegründbaren Züge.
ChEfKoCh hat geschrieben:
Der sonst schwache Quotentürke blüht natürlich in der Verbindung der Welle förmlich auf... ein "Fascho" auf türkisch.
Natürlich darf auch der typische Schnösel (wörtlich: sponsored by Daddy) nicht fehlen. Er fährt dem 190kw starken Landrover (im Film aber liebevoll M-Klasse genannt) seiner Mutter vor.
Der verblödete Fettsack findet in der Gruppe auch seine Funktion in der Organisation.
Ab sympathischsten fand ich ich noch den "Comedian" aus der Theater-AG... Der weiß wos langeht!
Das sind jetzt schon allein von der Anzahl her so viele Aufzählungen, dass der Begriff des Klischees meiner Meinung nach nicht mehr haltbar ist. Wieso ist es typisch, dass ein Türke, der ja normalerweise als Ghetto-Deutsch sprechender halbstarker Proll dargestellt wird, sich in eine Gruppe sonst deutscher Jugendlicher integriert? Das Gegenteil wäre das Klischee. Ich wüsste auch grad nicht, welche Filmfigur du genau mit "Schnösel" meinst, das solltest du vielleicht nochmal genauer beschreiben. Einen "verblödeten Fettsack" habe ich auch nicht erkennen können; es kam zwar jemand vor, der etwas dicker war, aber die Verblödung hast wohl du auf diese Figur projiziert, was passieren kann, wenn man selbst fett mit dumm gleichsetzt. Die Darstellung im Film zeigt aber das Gegenteil. Der Horst Schlämmer zitierende "Comedian" ist in meinen Augen sowas wie ein Klassenclown, vielleicht etwas übertrieben dargestellt, aber wer kennt diese Leute nicht? Ich wurde durch diese Person gleich an mehrere Mitschüler aus meiner Schulzeit erinnert.
ChEfKoCh hat geschrieben:
Das Lehrerehepaar schießt ebenfalls den Vogel ab. Beide leben in einem abgewrackten Gebäude (Betonboot!?) an einem See. Sie ist brave und vorbildlicher Lehrerin, er der aufmüpfige Querkopf im "Ramones" oder "The Clash" T-Shirt, der "bei jeder Demo dabei" war .... Als Jung-68er hätte er sich natürlich das Thema "Anarchie" gewünscht, doch das bekommt natürlich der Altlehrer mit Stock im Arsch, da die Kinderchen ja zur Demokratie erzogen werden sollen und nicht etwa zur Anarchie.
Meiner Meinung nach wurden durch die beiden Lehrerfiguren zwei besonders markante Ideologien verkörpert, mehr nicht. Sicherlich nicht auch ganz ohne Ironie, denn was sollte die Figur des "Altlehrers" sein, als die Kritik an solchen Personen? An der Frau des "Querkopfes" konnte ich nun wirklich nichts besonderes erkennen, was irgendwie ungewöhnlich wäre. Sie möchte nur gern in der Öffentlichkeit gut dastehen und legt mehr Wert auf Ansehen, als auf individuelles Denken, was unter anderem auch die Durchsetzung gegen andere bedeuten würde.
ChEfKoCh hat geschrieben:
Insgesamt äußerst platter Streifen... Man hätte imho wirklich einen guten Film draus machen können, hätte man nicht gleich in jedes Klischee reingehauen. Vielleicht hätte man die ganze Sache auch nicht in Deutschland spielen lassen sollen, sondern eher in einem weniger belasteten Land.
Ansosten gilt: less is more... auch in diesem Film. Sonst wirds schnell lächerlich. Damit meine ich das blutrünstige Ende...
Ich würde mal gern wissen, was du für Erwartungen an diesem Film gestellt hast.
Wie in meiner Rezension schon angedeutet, werden die Charaktere mitunter verkürzt dargestellt, was vielleicht dem Tiefgang schadet, allerdings kann ich darüber hinwegsehen, wenn das Gesamtwerk stimmig ist und ein klares Fazit zieht. Und das ist dem Film definitiv gelungen! Ich weiß natürlich nicht, wann du auf welche Schule gegangen bist, aber für mich war die Charakterdarstellung ziemlich realistisch, sprich: Die Filmfiguren hatten für mich durchgängig einen durch Erfahrung gestützten und oft auch erschreckend realistischen Wiedererkennungswert, was nicht bedeutet, dass jede Schule aus den gleichen Typen besteht. Der Grundton stimmt meiner Meinung jedoch schon. Und da nicht alle verschiedenen Schülertypen in allen ihren verschiedenen Facetten dargestellt werden könne, was übrigens auch für die Lehrer gilt, muss der Film natürlich versuchen einen Durchschnitt aller Möglichkeiten zu finden und eigene Schwerpunkte zu setzen, was deiner Meinung nach anscheinend als Klischee verstanden wird. Und wenn es bei dir keine Idioten an der Schule gab, ist das natürlich schön, allerdings kann ich mich gut an solche Leute erinnern. Vor allem die oft vulgäre Sprache war für mich erschreckend nah dran. Ohne ein bestimmt ausgerichtetes Interesse kann ein Film natürlich auch nichts aussagen, denn wenn es um die reine Abbildung der Realität ginge, wäre der Film eine Dokumentation geworden. Jeder Film will irgendetwas aussagen, und dazu muss auch die Perspektive und der Fokus auf ganz bestimmte Dinge gelegt werden, sonst ist das Ergebnis nichts sagend.
Ich kann nur sagen, dass der Film sein Hauptanliegen - nämlich die Darstellung von gruppendynamischen Prozessen unter autokratischen Verhältnissen und die Aufdeckung der Ursachen für das Entstehen dieser diktatorischen Gesellschaftsformen in unser aktuellen Zeit und Gesellschaft - erfolgreich und klar zum Vorschein gebracht hat! Jedem sollte nach dem Film klar sein, wieso autokratische Gesellschaftsformen gefährlich sind und ihre Stärke nur aus der psychischen Schwäche ihrer Mitglieder zieht, die durch subtile und gezielte Manipulation zu hirnlosen Marionetten und blinden Mitläufern einer Führerfigur werden, die ihnen Halt gibt und ein Zusammengehörigkeitsgefühl schafft, was jedoch fatale Konsequenzen nach sich zieht! Einer denkt, der Rest handelt, so könnte man es kurz fassen. Und das so ein Film gerade in Deutschland nur positiv wirken kann, ist doch unbestreitbar!
Wie so ein Film in Hollywood aussehen würde, möchte ich lieber nicht wissen, vor allem was das Ende angeht. Was du als blutrünstiges Ende beschreibst, ist für mich erschreckend realistisch und aktuell dargestellt, ich musste sofort wieder an die Amokläufe an Schulen und Unis denken! Es ist eben
kein erzwungenes Happy End a la Hollywood und genau das ist in meinen Augen ein Pluspunkt. Um es mal ganz deutlich zu sagen: Da steht ein Jugendlicher, der keine Ahnung von dem hat, was er tut, und der gerade miterleben muss, wie sich die einzige Gruppe, die ihm in seinem Leben Halt gegeben und Interesse an ihm gezeigt hat, aufgelöst! In dieser Gruppe sieht er den Sinn seines Lebens und als dieser beginnt sich aufzulösen, versucht er sich diesen mit Zwang zu erhalten. Als das scheitert und er in totaler Orientierungs- und Perspektivlosigkeit dasteht, gibt es für ihn im Affekt keine andere Möglichkeit mehr, als die ihm Film gezeigte. Es ist eine drastische Darstellung, die wirken soll! Und das ist in meinen Augen aufgegangen. Und blutrünstig ist für mich sowas wie SAW, und in dieses Muster fällt "Die Welle" ja nun keineswegs.