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 Betreff des Beitrags: Re: LW Dezember 2010
BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 08:17 
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ReCoN hat geschrieben:
Du verdrehst oder verkürzt hier wieder etwas. Ich habe von Demokratie als Prinzip gesprochen, also vollkommen abgelöst jetziger Realisationsformen. In diesem Zusammenhang habe ich gefragt, ob du Demokratie als Prinzip (also als Idee und Lebensform) akzeptierst, da du auf die von mir hingewiesene Möglichkeit der Anarchie mit "Na und?" geantwortet hast. Nur darum ging es, denn wenn jemand die Idee der Demokratie von vornherein nicht unterstützt, ist diskutieren sinnlos. Über alles andere, also beispielsweise über die jetzige Situation unserer Demokratie, kann man diskutieren und streiten.


Und Du gehst von einer Staatsform aus, die de facto niemals erreichbar ist und begehst den gleichen Fehler wie Marx, als er den klassenlosen Kommunismus proklamierte.
Ich halte mich an Tatsachen und die sind nun mal vom Gedanken der Demokratie weit weg.

ReCoN hat geschrieben:
Genau das war - um es mal an Hand eines Beispieles zu verdeutlichen - auch das Programm der Anti-Pädagogik, die heute in der Bedeutungslosigkeit verschwunden ist, da sie kein konkretes Erziehungsziel formulieren konnte und es nur darum ging, Kinder wachsen und machen zu lassen, so lange sie einem selbst nicht das Leben nehmen wollten. Diese Auffassung von Erziehung als Nicht-Erziehung führte dann auch dazu, dass nicht mehr angegeben werden konnte, was denn z.B. zu tun ist, wenn man sieht, wie ein Kind auf die Straße läuft und ein Auto droht, es zu überfahren, denn Eingriff in die Autonomie des Kindes war ja eigentlich tabu. Und solche simplen Anti-Haltungen vertrete ich auch in anderen Bereichen nicht, da das schliche Dagegen-Sein gleichzeitig bedeutet, dass man selbst auch keine bessere Idee hat und nur noch reagiert, an statt zu agieren.


Ach so?
Und wie würdest Du dann die momentanen Erziehungsmethoden einordnen?

ReCoN hat geschrieben:
Also ist Erziehung durch Angst, Autorität und Gewalt das Mittel der Wahl und sollte wieder zum Prinzip erhoben werden, da es ja viel einfacher ist als andere Wege der Erziehung zu gehen? In einer Gesellschaft, in der die eigentlich vollkommen selbstverständlichen Kinderrechte erst 1989 ins Recht gesetzt wurden und in der Gewalt in bestimmten Schichten in der Familie aber auch auf dem Schulhof Kommunikationsmittel ist?


Das ist doch Kokolores!
Ich hab auch öfter mal den Arsch versohlt bekommen und bin auch nicht zum Schläger oder Killer mutiert. Es kommt ganz auf die Dosis an.
Und selbst wenn es auf dem Schulhof mal eine Rauferei gab, dann wusste jeder, wann Schluss ist.

ReCoN hat geschrieben:
Halte ich für eine sehr subjektive, nicht verallgemeinerbare und gewage Grenzziehung, da sie bestimmte Drogen gefährlicher einstuft als andere. Sicherlich wirken einige Drogen stärker als andere, aber ausgeblendet wird wieder, dass keine dieser Substanzen einen langfristigen Beitrag zu einem guten und gesunden Leben leistet, werden sie in willkürlichen Dosierungen konsumiert (was der Fall ist, wenn es keine geschriebenen oder ungeschriebenen Gesetze gibt). Und nicht nur ist in keiner der Substanzen der Sinn des Lebens versteckt, sie werden, wie wir alle wissen, auch für die unterschiedlichsten Gründe missbraucht, wenn die Gelegenheit dazu besteht: Lebenskrise, Sucht nach Glücksmomenten, aus Langeweile, Stress etc. In den USA, aber auch hier, schmeißen doch schon viele Wachmacher oder Konzentrationsverbesserer vor Prüfungen oder ähnlichen Stresssituationen ein. Und genau deshalb muss es neben den klaren Regelungen das Ziel geben, die Urteilsfähigkeit des Individuums und den bewussten Umgang mit den noch vertretbaren und gesetzlich erlaubten Substanzen zu unterstützen und zu entwickeln, was eng an eine adäquate Erziehung und einen von der Bevölkerung geteilten - also allgemein angerkannten - Konsens genknüpft. Wenn es keine Regelungen gibt, die den allgemeinen Willen zum Ausdruck bringen, kann es auch keine Erziehung geben, da ihr das allgemeine Ziel fehlt.


Um was geht´s Dir eigentlich? So langsam hab ich das Gefühl, dass Du auf iirgendeine Weise die Welt verbessern willst, aber dabei zu stark in die Theorie abdriftest und Dich dem Status Quo vehement verschliesst.

ReCoN hat geschrieben:
By the way: Ich könnte es mit meinem Gewissen und dem Verständnis vom Leben nicht vereinbaren, einem Jugendlichen zu erkären, dass es schon ok ist, Alkohol, Nikotion, Haschisch etc. so zu konsumieren, wie er oder sie - der natürlich noch nicht so über diese Substanzen urteilen kann wie man selbst - es denn gerade als richtig ansieht. Dieses Verhalten führt ja nur zur Banalierung und Marginalisierung der Drogen und schiebt die elterliche Verantwortung einfach auf die sich mitten in der Entwicklung befindlichen Menschen ab, was ja auch nicht dein Ideal sein kann, denke ich.


Von Jugendlichen war hier auch nie die Rede.


ReCoN hat geschrieben:
Was genau willst du damit sagen? Dass Kinder abrupt und im Affekt misshandelt oder getötet werden, weil sie ja nicht mehr von Mal zu Mal "in guter Absicht" geschlagen werden dürfen? Nach dem Motto "Die paar Schläge haben noch keinem geschadet"?


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 Betreff des Beitrags: Re: LW Dezember 2010
BeitragVerfasst: Montag 6. Dezember 2010, 19:56 
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Fuxe hat geschrieben:
ReCoN hat geschrieben:
Du verdrehst oder verkürzt hier wieder etwas. Ich habe von Demokratie als Prinzip gesprochen, also vollkommen abgelöst jetziger Realisationsformen. In diesem Zusammenhang habe ich gefragt, ob du Demokratie als Prinzip (also als Idee und Lebensform) akzeptierst, da du auf die von mir hingewiesene Möglichkeit der Anarchie mit "Na und?" geantwortet hast. Nur darum ging es, denn wenn jemand die Idee der Demokratie von vornherein nicht unterstützt, ist diskutieren sinnlos. Über alles andere, also beispielsweise über die jetzige Situation unserer Demokratie, kann man diskutieren und streiten.


Und Du gehst von einer Staatsform aus, die de facto niemals erreichbar ist und begehst den gleichen Fehler wie Marx, als er den klassenlosen Kommunismus proklamierte.
Ich halte mich an Tatsachen und die sind nun mal vom Gedanken der Demokratie weit weg.

Wenn du so argumentiertst, greifst du nicht nur die griechische Antike als Geburtstort unserer heutigen Gesellschaftsform an, sondern auch die Grundüberzeugung und das Selbstverständnis der sich als deutsche Bürger verstehenden und in Deutschland lebenden Menschen. Und wieso ich auf einmal wie Marx ein Ideologe sein soll, der die gesellschaftliche Grundidee verändern wollte, verstehe ich beim besten Willen nicht. Ich trete nur dafür ein, dass die bereits existierende Idee, auf Grund der es überhaupt unsere Gesellschaftsform in Europa und Deutschland gibt, wieder in ihr Recht gesetzt wird und dass sich das Leben wieder nach ihren Grundsätzen richtet, die momentan oft keine Beachtung mehr finden.

Fuxe hat geschrieben:
Und wie würdest Du dann die momentanen Erziehungsmethoden einordnen?

Die aktuellen Erziehungsmethoden gibt es nicht. Es gibt nur zu diagnostizierende Misstände auf dem Hintergrund des Erziehungsverständnisses der zeitgenössischen erziehungswissenschaftlichen Definition vom Begriff der Erziehung, die mit der Anti-Pädagogik nichts zu tu hat. Im Umkehrschluss heißt das auch, dass diejenigen Eltern, deren Erziehung gescheitert ist (der Begriff sagt es schon selbst), mit der Erziehung, die sie in irgendeiner Form versucht haben, nicht mehr klar gekommen sind und wahrscheinlich dann aus noch anderen Gründen zu den uns allen bekannten Schreckenstaten gegriffen haben. Ein Ziel war also von Anfang an vorhanden, was bei der Anti-Pädagogik nicht der Fall war. Wie diese Ziele jeweils aussahen, kann wohl niemand im Einzelfall beantworten, aber dass welche da waren, zeigt, dass keine Verbindung zur Anti-Pädagogik besteht. Wer schließlich kein Ziel hat, kann auch mit seiner Erziehung nicht scheitern, da er ja von seinem Selbstverständnis aus gar nicht zu irgendetwas hin erzieht. Aber selbst wenn du auf die Fälle anspielst, in denen Eltern ihre Kinder nur als Quelle staatlicher Gelder ansehen, ist nur festzustellen, dass diese Leute Kinder gar nicht als zu erziehende Menschen ansehen, weshalb hier ebenfalls nicht von Anti-Pädagogik gesprochen werden kann (die zu dem nicht nur Methoden, sondern auch eine generelle Theorie und ein Verständnis von Erziehung beschreibt).

Aber darauf kam es mir auch gar nicht, denn wie ich sagte - "um es mal an Hand eines Beispieles zu verdeutlichen" - habe ich lediglich versucht, etwas Allgemeines an einem Beispiel zu verdeutlichen, nämlich, dass "das schliche Dagegen-Sein gleichzeitig bedeutet, dass man selbst auch keine bessere Idee hat und nur noch reagiert, an statt zu agieren." Also bitte genau lesen!

Fuxe hat geschrieben:
ReCoN hat geschrieben:
Also ist Erziehung durch Angst, Autorität und Gewalt das Mittel der Wahl und sollte wieder zum Prinzip erhoben werden, da es ja viel einfacher ist als andere Wege der Erziehung zu gehen? In einer Gesellschaft, in der die eigentlich vollkommen selbstverständlichen Kinderrechte erst 1989 ins Recht gesetzt wurden und in der Gewalt in bestimmten Schichten in der Familie aber auch auf dem Schulhof Kommunikationsmittel ist?

Das ist doch Kokolores!
Ich hab auch öfter mal den Arsch versohlt bekommen und bin auch nicht zum Schläger oder Killer mutiert. Es kommt ganz auf die Dosis an.
Und selbst wenn es auf dem Schulhof mal eine Rauferei gab, dann wusste jeder, wann Schluss ist.

Das ist mal wieder ein klassisches Beispiel für eine Verallgemeinerung subjektiver Individualerfahrungen und persönlich gedeuteter und mit Sinn versehener Lebensgeschichte. Und eine solche Einschätzung wird einer intersubjektiven Überprüfung niemals standhalten, die anerkanntermaßen die Grundlage für jede Form der Verallgemeinerung ist. Zudem fehlt die Selbstreflexion, die die eigene Erfahrung (hier: der Gwwalt) in den Kontext der Erfahrungen anderer und in denjenigen wissenschaftlicher Erkenntnisse, die nun mal auf Grund ihrer Entstehung den höchsten Geltungsanspruch besitzen, stellt. Solche Fehler vermeide ich gerne.

Und um es nochmal zu verdeutlichen: Die offiziellen Kinderrechte, denen sich jeder verpflichtet fühlen sollte, sagen explizit, dass Kinder "vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung oder Mißhandlung, vor Verwahrlosung oder Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschließlich des sexuellen Mißbrauchs" (Quelle) zu schützen sind - ohne wenn und aber! Mit der Dosis von Gewalt zu argumentieren zeigt, dass man das Prinzip der gewaltfreien Erziehung einfach nicht versteht und/oder nicht anerkennen will. Aber es ist ja leider so oft der Fall, dass der einfachere Weg schnell als der goldene gehandelt wird, auch wenn dazu mehrere Jahrhunderte der Erziehungstheorie und -philosophie entwertet werden und mit der eigenen Einzelmeinung ersetzt werden müssen.

Fuxe hat geschrieben:
Um was geht´s Dir eigentlich? So langsam hab ich das Gefühl, dass Du auf iirgendeine Weise die Welt verbessern willst, aber dabei zu stark in die Theorie abdriftest und Dich dem Status Quo vehement verschliesst.

Ich verschließe mich nicht im geringsten der Realität, aber von dem aktuellen Zustand keine Veränderung mehr zum Besseren und zur eigentlichen Grundidee mehr zu erwarten und auch keinen Finger zu rühren, um eine solche Bewegung mal anzustoßen, das ist auch nicht meine Art! Wer nichts mehr von der Welt erwartet, erwartet auch nichts mehr von sich und nimmt zwangsläufig eine Opferperspektive ein, aus der heraus nur noch gemeckert wird, ohne auch nur einmal den Mut zu einer Idee zu haben, die etwas an dem als schlecht befundenen Zustand verändern könnte. Und diese Ansicht vertrete ich nicht.

Der Hinweis auf die Theorie bzw. ihre generelle Kritik bleibt mir unverständlich. Theorie ist gerade eine Reaktion auf Praxis bzw. Realtität und versucht durch Reflexion des Faktischen bestimmte Zusammenhänge oder Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, die dann beurteilt werden können. Die Theorie ermöglicht es also überhaupt erst, die Realität beurteilbar zu machen und Normen zu formulieren, also zu sagen, wie etwas sein sollte, und nicht nur, wie etwas momentan ist. Und ohne Theorie würde heute keine Glühbirne gebrannt haben, ohne Theorie wäre nie so etwas wie ein Lebensziel oder Gesellschaftsideal aufgestellt worden, ohne Theorie gäbe es generell kaum so etwas wie Entwicklung, egal in welcher Hinsicht. Theorie und Praxis gehören eng zusammen. Und ich glaube, dass deutlich geworden ist, dass ich weit davon entfernt bin, "graue Theorie" zu vertreten, deren Merkmal es ja gerade ist, weder die aktuellen Zustände aufzunehmen, noch auf diese zurückwirken zu wollen.

Fuxe hat geschrieben:
ReCoN hat geschrieben:
Was genau willst du damit sagen? Dass Kinder abrupt und im Affekt misshandelt oder getötet werden, weil sie ja nicht mehr von Mal zu Mal "in guter Absicht" geschlagen werden dürfen? Nach dem Motto "Die paar Schläge haben noch keinem geschadet"?

Deine Konstruktionen werden immer abenteuerlicher.

Ich denke lediglich deine Gedanken konsequent zu Ende. Und wenn du sagst, dass auf Grund der aktuellen Lage (Anzeige statt elterliche Gewalt) "der Sprössling dann Morgenluft wittert und noch mehr anstellt" und es dann nicht verwunderlich wäre, wenn "manche Eltern in solche Kurzschlusshandlungen getrieben werden", stellst du einen direkten Zusammenhang zwischen dem Fehlen der "pädagogisch wertvollen" Gewalt ("dann hat mir Vaddern eine gescheuert") und den heutigen Missständen ("Kurzschlusshandlungen") her. Die Konsequenz deiner eigenen Argumentation ist also, dass das Gewaltverbot (physisch wie psychisch) dazu führt, dass Eltern heute mit ihren Kindern nicht mehr klarkommen, da die staatlichen Regulierungen ja auch nicht greifen. Und das stelle ich ganz entschieden in Frage.



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